Mi 26.07.

Future Folk

Sam Amidon eignet sich uralte Spirituals und Mörderballaden mithilfe des Jazz an. Nun geht er den umgekehrten Weg ­– und weist in die Zukunft der amerikanischen Folk Music.  // Tickets

 

Jazz kann abschrecken. Hundert Jahre Musik – wo solll man da anfangen? Wer noch nie eine Jazzplatte gehört hat oder an einem Konzert mit improvisierter Musik war, mag, überwältigt von den Möglichkeiten an Eintritten ins Genre, aufgeben. Man bräuchte einen Reiseführer, einen Wegweiser ins Dickicht.

Sam Amidon könnte so einer sein. Amidon ist ein amerikanischer Folkmusiker, der sich im Verlauf seiner über fünfzehn Jahre dauernden Karriere immer stärker dem Jazz, der elektronischen Musik und der Improvisation hingewandt hat.

Im Folk-Boom der Nullerjahre steht Amidon noch nicht im Rampenlicht. Doch er erspielt sich eine wachsende und ergebene Fangemeinde mit jedem seiner Alben, auf denen er alte irische oder US-Folksongs so lange adaptiert, bis sie wie Originale klingen.

Unverwechselbar klingt Amidon inmitten all der Singer-Songwriter: filigrane Gitarre; warm-distanzierter Gesang; ausgefeilte Harmonien, vertrackte Rhythmen.

Mit «I See the Sign» (2010) kam Amidon einem grossen Publikum näher. Das Album vermischte Folk mit Elektronik, Streichern und jazzigen Strukturen und kriegte sehr gute Kritiken vom Online-Magazin Pitchfork, der Bibel für Popmusik abseits des Mainstreams, bis hin zur New York Times.

Im Zentrum dieser Platte stehen zwei beinahe konventionelle Folk-Balladen – «Johanna the Row-di» und «Pretty Fair Damsel» – die viel zum wachsenden Erfolg Amidons beitrugen. Rund herum dekonstruiert Amidon Mörderballaden aus dem 19. Jahrhundert, afroamerikanische Spirituals und Appalachen-Lieder und setzt sie in Avantgarde-Manier neu zusammen.

Und nun geht er den umgekehrten Weg: Nach sieben Alben veröffentlicht Amidon mit «The Following Mountain» sein erstes Album mit Eigenkompositionen. Wobei der Plural hier ein wenig missverständlich ist. Dem Album steht nämlich eine lange Session zugrunde: Im Frühjahr zog sich Amidon mit vier exzellenten Jazzmusikern ins Studio züruck, dem Komponisten und Bassisten Shahzad Ismaily, dem Saxophonisten Sam Gendel sowie Drummer-Legende Milford Graves und Perkussions-Veteran Juma Sultan. Was das Quintett übers Wochenende einspielte, schnitt Amidon zusammen zu einzelnen Tracks auseinander.

Mit «The Following Mountain» begibt sich Amidon am weitesten aufs Jazzgelände. Das ist zwar keine Überraschung, schon auf dem Vorgängeralbum spielte der Gitarrist Bill Frisell eine tragende Rolle. Amidons frischer Ansatz – weg von den Folksongs, hin zur freien Improvisation – vergrössert den Jazz-Einfluss. Somit könnte Amidon mit «The Following Mountain» nicht nur den Weg in seine eigene Zukunft weisen, sondern in eine mögliche Zukunft der amerikanischen Folk Music.

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