Mi 16.08.

«Man macht sich nackt auf der Bühne»

Gitarrist Manuel Troller spielt am Jazz Festival Willisau im Duo mit der Jazzgrösse Hans Koch. Ein Gespräch über Improvisierte Musik, das Scheitern – und warum er nicht aufs Konzert übt.  // Tickets

 

Interview: Mauro Guarise

Wo erwischen wir dich gerade?
Ich bin zuhause in Basel und spiele Gitarre. Ich arbeite an Solostücken auf der akustischen Gitarre.

Am Jazz Festival Willisau spielst Du mit dem international bekannten Schweizer Bläser Hans Koch. Was wirst du da spielen, die akustische oder die elektrische Gitarre?
Weiss ich noch nicht, vielleicht beides.

Das Festival Willisau wurde berühmt mit Free Jazz, ihr werdet improvisierte Musik spielen. Übt ihr auf das Konzert?
Höchstwahrscheinlich nicht. Normalerweise übt man natürlich auch in der improvisierten Musik. Hans und ich haben aber lange darüber diskutiert und uns dann für diesen Auftritt dagegen entschieden. Es wird recht spannend und frisch, wenn wir zusammentreffen – und dann passiert, was passiert.

Ihr wisst also nicht besser, was das Publikum erwartet…
… als das Publikum? Nein (lacht).

Wie ist diese Zusammenarbeit entstanden?
Man kann noch gar nicht von «entstanden» sprechen (lacht), es ist eher ein Zusammentreffen. Wir kennen uns aber schon einige Jahre. Wir haben beim grossen Orchester Joyful Noise zusammengespielt, aber auch schon in kleineren Formationen. Als Duo aber noch nie, das wird eine Premiere in Willisau.

Wie muss man sich das vorstellen, wenn Ihr auf die Bühne kommt und nicht wisst, was ihr spielen werdet – was geschieht dann? Plant man einen Anfang?
Manchmal plant man einen Anfang, meist schiesst man ihn dann doch noch ab. Stattdessen spielt man und hört zu, was passiert; versucht, darauf einzugehen, was der andere spielt – oder gerade nicht. Und dann schaut man, wie sich die Ebenen zueinander verhalten.

Es ist keiner der Chef?
Nein, es gibt keinen Chef. Es geht bei dieser Musik darum, bewusst zu hören, die Musik sagt einem schon, was sie von einem verlangt.

Wo liegt für dich der Reiz an der improvisierten Musik?
Zentral ist für mich, dass ich in einer Situation bin, in der eine direkte und einmalige Kommunikationsform herrscht, zwischen den Musikern wie zwischen ihnen und dem Publikum. Wenn man eine gute Idee zum allerersten Mal spielt, dann bringt man sie nie mehr so hin. Solche Momente haben eine grosse Kraft. Improvisierte Musik sucht konstant nach ihnen. Diese Suche bedingt aber, dass man stark im Moment an diesem einen Stück arbeitet.

Klingt anstrengend.
Es ist nicht so, dass man jedesmal alles ganz neu erfindet. Auf der Bühne braucht es aber extrem viel Mut, wenn man mit Material zu spielen beginnt, von dem man keine Ahnung hat, wohin es einen treibt. Das kann auch in die Hosen gehen. Da macht sich ein Stück weit nackt. Man denkt in dieser Kunstform das Scheitern immer mit.

Wann würdest du im Nachhinein von Scheitern sprechen?
Wenn nicht viel Interessantes passiert auf der Bühne. Wobei Scheitern und Reüssieren sehr subjektive Urteile sind, das Publikum sieht das oft anders.

Was magst Du an Hans Koch?
Sehr viel. Als wir das erste Mal zusammen gespielt haben im Mullbau, da begann Hans mit einem feinen Klang, der war so leise und zugleich so präsent, dass ich auch der Bühne erst mal eine ganze Weile nur zugehört habe. Er ist ein sehr erfahrener Musiker und Improvisator, ein Meister auf seinem Instrument. Mir gefällt, dass er, obwohl er nicht mehr der Jüngste ist, immer noch auf der Suche nach neuer Musik und extrem neugierig ist.

Koch ist über 30 Jahre älter als Du – spielst das beim Musizieren mit ihm eine Rolle?
Leute, die schon seit Jahrzehnten musizieren, haben eine gewisse Coolness und Ruhe. Die bleiben oft gelassen, auch wenns mal nicht so läuft, und verfallen dann nicht in Aktionismus.


Troller mit Schnellertollermeier am Jazzfestival Schaffhausen, 2015.

Mit Schnellertollermeier hast du 2015 am Jazz Festival Willisau gespielt. Wie wird sich das Konzert mit Koch davon unterscheiden?
Das wird radikal anders. Schnellertollermeier spielen strukturierte Stücke mit Platz für Improvisation. Da ist schon eher klar, was einen erwartet. Was Hans Koch und ich machen ist unvorhersehbar.

Wie sind deine Erinnerungen ans Festival?
Wir hatten ein sehr tolles und aufmerksames Publikum, da kam enorm viel zurück. Auch wie man als Musiker empfangen und umsorgt wird, ist in Willisau aussergewöhnlich. Das ist ein Grund, warum viele internationale Künstler immer wieder gerne kommen.

Manuel Troller (*1986, Luzern) ist Gitarrist und Komponist. Mit Schnellertollermeier sppielt er kompromisslose Musik zwischen moderner Komposition, Minimal Music, Improvisation und brachialer Rockmusik. Er ist zu einem der gefragtesten Gitarristen der Schweiz geworden und spielt mit Marc Ribot, Lee Ranaldo, Sophie Hunger, Nik Bärtsch, Martin Schütz u.v.a.

Hans Koch (*1948, Biel) ist einer der innovativsten improvisierenden Holzbläser Europas. Seit den 198ern arbeitet er regelmässig mit Martin Schütz und mit internationalen Grössen wie Cecil Taylor oder Fred Frith zusammen. Als Komponist prägte er das international bekannte Trios Koch-Schütz-Studer und schuf Musik für Hörspiele und Filme.

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